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Deutschland: Der Wald stirbt

Eine deutschlandweite, satellitenbasierte Analyse zeigt erstmalig die aktuell am stärksten betroffenen Gemeinden und Bundesländer. Auf Grundlage von ESA-Satellitendaten wurden alle deutschen Waldflächen auf ihre Vitalität untersucht - oder vielmehr auf deren Verlust. Dieses Jahr sind besonders Wälder in Sachsen-Anhalt, Sachsen und Rheinland-Pfalz im Stress. Der deutsche Walt stirbt.


Wenn von der Vitalität der Bäume die Rede ist, geht es, kurz zusammengefasst, um deren Gesundheitszustand. Gegenstand der vorliegenden Untersuchung ist der Vitalitätsverlust der Bäume in den Wäldern Deutschlands, wobei insbesondere der Stressfaktor Trockenheit eine zentrale Rolle spielt - und der in erster Linie dafür verantwortlich ist, günstige Bedingungen für den Borkenkäfer zu schaffen, der vielen Nadelbaumbeständen bereits zum Verhängnis wurde und der weiterhin unaufhaltsam auf dem Vormarsch ist

Dieses Trockenstress-Risiko für den Wald kann durch die Auswertung von Satellitendaten sichtbar gemacht werden. Die aktuellsten, für diese Analyse herangezogenen Satellitendaten stammen vom 15. Juli 2023.


Daten sind für jeden verfügbar


Ein finnisch-deutsches IT-Unternehmen, die BitApps-Gruppe, betreibt einen satellitengestützten Kartendienst, der aufgrund laufend aktualisierter Daten die Stellen mit Vitalitätsverlust im Wald zeigt - mit einer Genauigkeit von 10m x 10m. Im Rahmen der vorliegenden Untersuchung wurde diese Karte auf Gemeindeebene zusammengefasst und in Beziehung zur gesamten Waldfläche in Deutschland ausgewertet.


Interaktive Karte zeigt Vitalitätsverlust im deutschen Wald


© BitApps Group 2023


Auf der daraus entstandenen interaktiven Karte kann einerseits die Waldfläche mit Vitalitätsverlust pro Gemeinde in Hektar (ha) und andererseits der relative Anteil des Waldes mit Gesundheitsstress in Prozent (%) für alle deutschen Gemeinden abgefragt werden. Die beiden Werte müssen dabei nicht immer zwingend miteinander korrelieren. In waldreichen Gemeinden mag die absolute Fläche mit Vitalitätsverlust relativ hoch erscheinen; insbesondere in größeren Gemeinden liegt die Beziehung "Große Waldflächen, mehr Flächen mit Vitalitätsverlust" nahe. Dennoch kann auch in waldreichen Gemeinden der relative Anteil der Waldfläche mit Vitalitätsverlust mitunter niedriger sein als in Gemeinden mit kleineren Waldflächen. Das hängt von den in der Gemeinde vorhandenen Stressfaktoren für den Wald (Trockenheit, Borkenkäfer, etc.) ab.

Rangliste der am meisten betroffenen Gemeinden

Im Rahmen der Untersuchung wurde eine Rangliste der am meisten betroffenen Gemeinden zusammengestellt- sowohl bezüglich der absolut betroffenen Flächen (ha) als auch des relativen Anteils an der Waldfläche (%).

In der Gemeinde Schilda in Brandenburg weisen demnach 35,8% der Waldfläche (ca. 140 ha) einen deutlichen Vitalitätsverlust auf. Das macht Schilda zum Spitzenreiter der anteilsmäßig betroffenen Waldfläche, dicht gefolgt von Röderland in Brandenburg, Warmensteinacher Forst-Nord in Bayern und Bad Bodenteich in Niedersachsen.

Den flächenmäßig größten Vitalitätsverlust verzeichnen die Gemeinden Gardelegen in Sachsen-Anhalt (ca. 4.300 ha), Nuthe-Urstromtal in Brandenburg, Doberlug-Kirchhain in Brandenburg und Möckern in Sachsen-Anhalt.

Rangliste der am meisten betroffenen Bundesländer

Auf Bundesland-Ebene führt laut vorliegender Untersuchung Sachsen-Anhalt die Liste an; hier sind insgesamt 5,9% der Wälder von Vitalitätsverlusten betroffen. Es folgen Sachsen, Rheinland-Pfalz, Thüringen und Nordrhein-Westfalen.

Flächenmäßig ergibt sich folgendes Bild: Bayern ist mit ca. 81.000 ha flächenmäßig am stärksten betroffen. Es folgen Rheinland-Pfalz, Niedersachsen, Brandenburg und Nordrhein-Westfalen.

Ausgehend von den Mittelgebirgen im Harz (Niedersachsen, Sachsen-Anhalt) und im Sauerland (NRW), wo in den letzten Jahren bereits der Großteil der Fichtenbestände wegen Trockenheit und Borkenkäfer vorzeitig genutzt wurde, breitet sich die Welle des Trockenstress-Risikos immer weiter aus.

Welche Baumarten sind am meisten betroffen?

Für die Wald-Bewirtschafter dürfte darüber hinaus auch die Aufstellung der Vitalitätsverluste nach Baumart von hoher Relevanz sein - wirft sie doch die bekannte Frage nach einem klima-angepassten Waldumbau auf, der angesichts des Klimawandels zu einer immer drängenderen Aufgabe wird.

Die Untersuchung identifizierte als am stärksten betroffene Baumarten die Kiefer (6,1%), Fichte (4,9%), Birke (4,3%), Lärche (3,7%) und die Douglasie (3,0%). Die Prozentwerte geben dabei den vom Vitalitätsverlust betroffenen Anteil innerhalb der jeweiligen Baumart an. Das bedeutet, bei 6,1% aller Kiefern wurde ein deutlicher Vitalitätsverlust erkannt, bei 4,9% aller Kiefern, etc.

Aus der Liste der untersuchten Arten ist die Erle und die Tanne anteilsmäßig am wenigsten betroffen.

Vorgehensweise

Die vorliegenden Untersuchungsergebnisse stützen im Wesentlichen die Ergebnisse aus der Waldzustandserhebung 2022 des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL).

Aufgrund von unterschiedlichen Herangehensweisen bei der Messung und Auswertung des Vitalitätsverlustes gibt es aber besonders bei den betroffenen Anteilen pro Baumart Unterschiede.

In der BMEL-Studie wird stichprobenartig die Verlichtung der Baumkronen im Vergleich zu einer voll belaubten bzw. benadelten Krone untersucht. Im Gegensatz dazu betrachtet BitApps den Stressfaktor Trockenheit, der sich besonders im Infrarotbereich in Satellitenbildern zeigt. Wird ein solches Trockenstressrisiko festgestellt, ist dies oftmals ein Indikator für einen bereits erfolgten Gesundheitsverlust. Weiterhin werden bei BitApps nur starke Vitalitätsverluste bei noch lebenden Bäumen berücksichtigt, die mit hoher Wahrscheinlichkeit für forstliche Maßnahmen relevant sind.

Zusammenfassung & Ausblick

Die Analyse zum Vitalitätsverlust in deutschen Wäldern auf Gemeinde-Ebene dürfte von der Aktualität und ihrem kommunalen Bezug einzigartig sein. Sie gibt Aufschluss über die absolute Fläche mit Vitalitätsverlust und den Anteil der Fläche mit Vitalitätsverlust, bezogen auf die insgesamt vorhandene Waldfläche pro Gemeinde.

Die Zahlen weisen darauf hin, dass die Waldflächen vieler deutscher Gemeinden vom Vitalitätsverlust betroffen sind. Auf Bundesland-Ebene sind nach derzeitiger Datenlage, prozentual gesehen, insbesondere die Wälder in Sachsen und Sachsen-Anhalt am stärksten von Vitalitätsverlust betroffen. Entwarnung gibt es jedoch für alle anderen Bundesländer bzw. Gemeinden keineswegs, nicht zuletzt da die vorliegende Untersuchung lediglich den Zustand mit dem Stichtag 15. Juli 2023 beschreibt und zunächst keine Prognosen zulässt. Aus der Erfahrung der vergangenen Jahre kann allerdings davon ausgegangen werden, dass sich die Situation besonders in Regionen mit anhaltender Trockenheit weiterhin verschärfen wird. Um einen zukunftsorientierten Waldumbau voranzutreiben und an den am stärksten betroffenen Stellen weitere Schäden zu minimieren oder gar zu vermeiden, ist ein baldiges Handeln aller forstlichen Akteure vonnöten.

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