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Wasserstoff macht Diesel überflüssig

Die Bundesrepublik könnte in Sachen Mobilität innerhalb kürzester Zeit ganz ohne Gas, Benzin und Diesel auskommen. Herkömmliche Tankstellen und Raffinerien hätten dann endgültig ausgedient. Die Automobilindustrie profitierte vom radikalen Schwenk weg vom Öl und hin zu einer wirklich neuen Technologie, die Diskussionen um Diesel-Abgawaswerte mit einem Schlag der Vergangenheit angehören ließe – weil es keine fossilen Treibstoffe für Autos mehr gäbe.


Dass das Auto der Zukunft mit einer Brennstoffzelle fährt und Wasserstoff tankt, ist als Idee nicht neu. Bis vor kurzem scheiterten allerdings viele Konzepte an einer Schwäche der Technologie: Ein Wasserstoff-Fahrzeug zu betanken dauerte mehr als eine Stunde. Zudem wurde in den Anfängerjahren der visionären Technologie der Wasserstoff aus dem Tank derart langsam freigesetzt, dass er die Leistung des Antriebs spürbar begrenzte. Erst im Jahr 2003 gelang Wissenschaftlern des Forschungszentrums Karlsruhe ein wichtiger Schritt auf dem Weg zu besseren Wasserstoffspeichern: Mit Nanopartikeln verringerten sie die Ladezeit auf wenige Minuten.


Bei den Titan-Nano-Clustern handelt es sich um Millionstel kleine Teilchen. Der Metallkern der Partikel besteht aus nur 13 Atomen – einem Zentralatom und einer Schale aus weiteren 12 Atomen. Stabilisiert werden die Partikel durch eine Hülle aus Lösungsmittelmolekülen, die den Metallkern umschließt. Dieser ist so klein, dass er auch unter leistungsstarken Elektronenmikroskopen nicht sichtbar wird. Zur Untersuchung wurden stattdessen aufwändige Analyseverfahren angewandt, wie sie an der Synchrotronstrahlenquelle ANKA des Forschungszentrums zur Verfügung stehen. Damit die Cluster den gewünschten Effekt im Wasserstoffspeicher erzielen, wird eine geringe Menge davon mit dem Speichermaterial Natriumalanat vermischt und das Gemenge unter Luftausschluss sehr fein gemahlen. Dadurch entsteht eine Mischung der beiden Komponenten, ein so genanntes Nanokomposit. Dieses ist das eigentliche Speichermaterial.


„Während man bisher mit über einer Stunde rechnen musste, bis das Speichermaterial Natriumalanat (ein Metallhydrid des Aluminiums mit der chemischen Formel NaAlH4) zu 80 Prozent wieder aufgeladen war, ist es mit einem speziellen Typ von Titan-Nanopartikeln möglich, das Gleiche in der Rekordzeit von sieben bis acht Minuten zu schaffen“, teilte das Forschungszentrum im Mai 2003 mit und publizierte die Ergebnisse im Fachblatt „Nanotechnology“ – der Durchbruch war geschafft. Selbst das Laden eines Hochleistungsakkus für Camcorder oder Laptops verläuft damit langsamer als die Betankung der Null-Emissions-Autos der Zukunft.


Der Vorstoß der Brennstoffzellentechnologie scheint unaufhaltsam und erobert trotz fehlenden Tankstellennetzes den Alltag – unter Wasser. Als im Frühjahr 2006 die Bundesmarine ihr erstes U-Boot einer vollkommen neuen Typenklasse in Dienst stellte, nahmen lediglich Fachleute davon Notiz. Das wird sich womöglich schon bald ändern. Denn das U32 gilt dank eines sensationell innovativen Antriebs als das modernste U-Boot der Welt. Bislang konnten lediglich atomgetriebene U-Boote Wochen unter Wasser bleiben, während die konventionellen Pendants aus einem simplen Grund regelmäßig auftauchen müssen: Sie benötigen die Luft für ihre kräftigen Dieselmotoren, denn ohne den lebenswichtigen Sauerstoff bleibt jeder Dieselmotor irgendwann stehen. Genau diese Schwäche haben die Entwickler des U32 ausgemerzt. Anstatt wie bislang auf den Dieselantrieb allein zu setzen, kombinierten sie zwei Systeme miteinander. Zwar verfügt auch das U32 über den klassischen Diesel-Antrieb. Doch hinzu kommt ein Sauerstoff-unabhängiges System. Dabei liefern Brennstoffzellen an Bord durch einen elektrochemischen Prozess die für die Bewegung der Schiffsschraube benötigte Energie. Dazu werden die in Spezialtanks vorrätigen Elemente Wasserstoff und Sauerstoff über zwei Pole zusammengeführt. Trickreiche Lösung: Die Wasserstoffelektronen fließen als Strom zum gegenüberliegenden Pol, als einziges Abfallprodukt unter Wasser entsteht Wasser.


Allerdings zeigte schon Heinz Rühmann in dem Filmklassiker „Die Feuerzangenbowle“, wie heftig die normalerweise einsetzende Knallgasreaktion zwischen beiden Elementen ist. Beließe man es an Bord des U-Boots bei der unkontrollierten Verbindung, wäre die Reaktion zwischen beiden Elementen ebenso heftig wie jene im Film. Daher trennt eine spezielle Membran beide Elemente voneinander.


Den Einsatz einer Brennstoffzelle als Energiequelle für ein U-Boot haben sich Schiffsbauer bereits in den 1970er Jahren von der Raumfahrt abgeschaut. Seitdem schreitet die Entwicklung voran, und die Brennstoffzelle gilt im U-Boot-Bau heute als serienreif und effizient. Tatsächlich zeigte ein erster Test mit der U32, dass das Unterseeboot mühelos zwei Wochen lang ohne Auftauchen die Tiefen des Meeres erkunden kann – eine Zeitspanne, die bisher lediglich den großen Atom-U-Booten vorbehalten war. Die Liebe der Marine zur sauberen Energietechnik mag freilich ganz andere Gründe haben als den Klimaschutz allein. Weil das Boot vorwiegend zu Aufklärungszwecken eingesetzt wird, muss es möglichst geräuschlos in feindliche Gewässer vordringen können. Die Brennstoffzellen tragen dazu bei – im Vergleich zu Dieselmotoren ist der Antrieb extrem leise.


Was die Bundesmarine kann, schafften im Kleinen – und auf dem Trockenen – auch Studenten der Universität Chemnitz. Sie entwickelten ein mit der futuristischen Technologie ausgestattetes Energiesparmobil, das lediglich 0,04 Liter auf 100 Kilometer verbraucht. „Fortis Saxonia“ nennen sich die Chemnitzer selbstbewusst und stellten im September 2007 gleich zwei brennstoffzellenbetriebene „Ökomobil“-Fahrzeuge vor: Sax 1 und Sax 2. Die spektakulären Vehikel nahmen bereits 2006 und 2005 beim Shell Eco-Marathon im südfranzösischen Nogaro teil. Dass ausgerechnet einer der globalen Ölmultis jene Technik unterstützt, die – sollte sie sich flächendeckend durchsetzen – das Ende der Nachfrage nach Benzin und Diesel bedeuten würde, erscheint auf den ersten Blick unverständlich. Doch längst haben die Giganten am Markt erkannt, dass sich mit Wasserstoff womöglich noch mehr verdienen ließe als mit Öl und Gas, zumal beide Energieträger auf absehbare Zeit erschöpft sein werden. Der Kraftstoff der Zukunft ist dagegen praktisch unbegrenzt als Rohstoff vorhanden, teure Explorationen und Erkundungen von Lagerstätten sind nicht notwendig.


Konzerne wie Shell, BP oder Exxon Mobil wittern ihre Chance für die Zukunft. Denn auf ein flächendeckendes Tankstellennetz müssten Autofahrer auch dann zugreifen, wenn konventionelle Zapfsäulen der Vergangenheit angehören. Zudem müsste das Netz vermutlich ausgebaut werden, weil die Reichweite der mit Wasserstoff angetriebenen Fahrzeuge voraussichtlich geringer wäre als jene, die mit Benzin- oder Diesel laufen. Die Technologie erfordert hochwertige Tankanlagen – das Know-how dazu besitzen, nebst Standorten, die großen Mineralölkonzerne im Grunde schon heute.


Noch begnügen sich die Visionäre mit skurrilen Tests. Ein Energiesparmobil mit den etwas irreführenden Namen Schluckspecht etwa bewältigte mit dem Energie-Äquivalent von einem Liter Benzin 2 716 Kilometer, Sax 1 brachte es auf 1 742 Kilometer, Sax 2 immerhin auf 2 552 Kilometer. Solchen Erfolgen zum Trotz avancieren derartige Fahrzeuge allerhöchstens zur wirksamen Werbeplattform für die Brennstoffzelle, dabei zeigen Beispiele wie Hydrogen 7 von BMW, die Mercedes-B-Klasse F-Cell oder das U-Boot U32, dass die Technologie auf ihren bundesweiten Alltags-Einsatz wartet.


Auch einmotorige Propellermaschinen, könnten in Zukunft auf eine klimafreundlichere Variante umsteigen. Ein bemanntes Leichtflugzeug, das mit herkömmlichen Zweisitzern konkurrieren kann, wollen beispielsweise Wissenschaftler der Universität Stuttgart mit Brennstoffzellen-Antrieb ausstatten. Was die Bundesmarine für das U32 erkannte, haben nun auch Aeronautiker entdeckt: Brennstoffzellen sind in Kombination mit einem Elektromotor ein durchaus effektives und umweltfreundliches Antriebskonzept. Erstmals präsentierten die Konstrukteure ein auf den Namen Hydrogenius getauftes Modell im Herbst 2007 auf der F-cell – als „realistischen Eindruck des künftigen Originals“. Als nicht minder innovativ erweist sich das mit Wasserstoff und Brennstoffzellen betriebene, wenn auch unbemannte Fluggerät „HyFish“ des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR). Mit 1,2 Meter Länge und einem Gewicht von lediglich 6 Kilogramm erhob sich das Vehikel erfolgreich in die Lüfte – eine Sensation. Dass die Miniversion zu mehr taugt, präsentierte die DLR ebenfalls auf der F-cell im September 2007: Erstmals testeten die Wissenschaftler ein Brennstoffzellensystem im DLR-eigenen Forschungsflugzeug ATRA (A320) – in Zusammenarbeit mit dem europäischen Flugzeugbauer und Boeing-Mittbewerber Airbus.


Im Vergleich zu den Pionierjahren, in denen Forschergruppen auf wenig Verständnis und Aufmerksamkeit für ihre ehrgeizigen Projekte hoffen durften, hat sich die Lage verändert: Neuartige Technologien, die zu weniger Treibhausgas-Emissionen führen, gelten jetzt als zukunftsweisend und sind zugleich PR-wirksam. Die plötzliche Liebe zu umweltfreundlichen Innovationen hat auch finanzielle Gründe. Klimaschäden wie Überschwemmungen, Stürme à la Kyrill oder Dürrephasen reißen bis 2050 ein Loch von mehr als 330 Milliarden Euro in die Kassen, rechnete das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung aus. Steigt die Temperatur um 4,5 Grad Celsius bis 2100, entstünden bis 2050 Kosten in Höhe von 800 Milliarden Euro, falls „keine nennenswerte Intensivierung des Klimaschutzes erreicht werde“. Selbst die Halbierung der angenommenen Temperaturerhöhung auf „lediglich“ 2 Grad mehr im Vergleich zu heute würde enorme wirtschaftliche Belastungen mit sich bringen. Um die Folgen von Wetterextremen zu beseitigen oder um das Schlimmste im Vorfeld zu verhindern, sind dem Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung zufolge erhebliche Anpassungen notwendig – und die verschlingen zusätzliche Energie. Allein die Kosten für Schutzmaßnahmen beliefen sich auf rund 300 Milliarden Euro, den Löwenanteil müssten die privaten Haushalte stemmen.


Weitere 170 Milliarden würde die Anpassung an die Folgen des Klimawandels verschlingen, zum Beispiel die Erhöhung der Deiche. Der Klimawandel würde laut DIW in den kommenden 50 Jahren zu gesamtwirtschaftlichen Wachstumseinbußen von bis zu 0,5 Prozentpunkten pro Jahr führen. Betroffen wären fast alle Wirtschaftsbereiche: Allein der Land- und Forstwirtschaft entstünden Kosten von bis zu 3 Milliarden Euro, weil die zunehmende Trockenheit zu teuren Bewässerungsmaßnahmen zwingen wird. Auch die Tourismusbranche bliebe nicht verschont. Schon die Erhöhung der globalen Lufttemperaturen um 1 Grad Celius hätte zur Folge, dass rund 60 Prozent der Wintersportgebiete in Deutschland schneefrei wären. Die Tourismusindustrie müsste rund 11 Milliarden Euro aufwenden, um die Folgen zu kompensieren – für Schneekanonen und klimaintensive Indoor-Anlagen beispielsweise. In Mitleidenschaft gerät auch die Energiewirtschaft. Weil das Niedrigwasser in den Flüssen nicht mehr für die Kühlung der Kraftwerke ausreicht, wird es zu empfindlichen Störungen der Energieinfrastruktur kommen.

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