Forschende der Charité – Universitätsmedizin Berlin und des Francis Crick Institute haben nach eigenen Angaben die Technologie der Massenspektrometrie so weiterentwickelt, dass sich Tausende von Proteinen in einer Probe innerhalb weniger Minuten vermessen lassen. Das Potenzial der Technik demonstrierte das Forschungsteam anhand der Analyse des Blutplasmas von COVID-19-Betroffenen: Mit der neuen Technologie identifizierte es elf bisher unbekannte Proteine, die den Schweregrad der Erkrankung anzeigen. Die Studie ist im Fachmagazin Nature Biotechnology veröffentlicht.
Die Anwendungsmöglichkeiten für diese Hochdurchsatz-Technologie sind vielfältig: Von der Grundlagenforschung über die groß angelegte Suche nach wirksamen Arzneimitteln bis zur Identifizierung von biologischen Merkmalen (Biomarkern), die sich für die Einschätzung des individuellen Risikos von Patientinnen und Patienten nutzen lassen. Dass sich die Technik für Letzteres eignet, zeigte die Forschungsgruppe in ihrer Studie am Beispiel von COVID-19. Dazu analysierte das Team das Blutplasma von 30 Patientinnen und Patienten mit unterschiedlich stark ausgeprägten COVID-19-Symptomen, die an der Charité stationär behandelt wurden, und verglich die Proteinmuster mit dem von 15 gesunden Personen. Die Messung einer einzelnen Probe dauerte dabei nur wenige Minuten.
Auf diese Weise identifizierten die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler insgesamt 54 Proteine, deren Konzentration im Blut abhängig vom Schweregrad der COVID-19-Erkrankung erhöht oder verringert war. 43 davon waren in früheren Studien bereits mit der Schwere der Erkrankung in Verbindung gebracht worden; für elf der Proteine war dieser Zusammenhang jedoch bisher nicht bekannt gewesen. Mehrere dieser bisher unbekannten Proteine sind Teil der Reaktion des Immunsystems auf Erreger, die auch die Gerinnungsneigung erhöht. „Wir haben mit unserer neuen Methode also in kürzester Zeit Protein-Fingerabdrücke in Blutproben entdeckt, anhand derer wir jetzt COVID-19-Betroffene entsprechend der Schwere ihrer Erkrankung einteilen können“, sagt Dr. Christoph Messner, einer der Erstautoren der Studie und Wissenschaftler am Institut für Biochemie der Charité sowie am Francis Crick Institute. „Eine solche objektive Einschätzung kann sehr wertvoll sein, da die Patientinnen und Patienten ihren Gesundheitszustand zum Teil überschätzen. Um eine massenspektrometrische Analyse aber standardmäßig für die Klassifizierung von COVID-19-Betroffenen nutzen zu können, muss die Technik zu einem diagnostischen Test weiterentwickelt werden. In Zukunft könnte es darüber hinaus möglich sein, mit einer schnellen Analyse des Proteinmusters auch Aussagen über den voraussichtlichen Verlauf von COVID-19 zu treffen. Hierzu haben wir bereits erste vielversprechende Ergebnisse gesammelt, bis zu einem routinemäßigen Einsatz sind aber noch weitere Studien nötig.“
Studienplattform zur Erforschung von COVID-19 an der Charité
Basis für die Generierung der jetzt veröffentlichten Daten war die Studienplattform Pa-COVID-19. Pa-COVID-19 ist die zentrale longitudinale Registerstudie für COVID-19-Patientinnen und -Patienten an der Charité. Sie zielt darauf ab, COVID-19-Betroffene klinisch sowie molekular schnell und umfassend zu untersuchen, um individuelle Risikofaktoren für schwere Verlaufsformen sowie prognostische Biomarker und Therapieansätze zu identifizieren. Das Protokoll zur Studie ist hier veröffentlicht.